Im Rahmen des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) wurde § 17 Absatz 2a EStG neu eingeführt, in dem in den Sätzen 1 bis 4 nunmehr normspezifisch die Anschaffungskosten einschließlich der nachträglichen Anschaffungskosten von Anteilen i. S. v. § 17 EStG definiert werden.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung von § 17 Absatz 2a EStG Folgendes:
I. Nachträgliche Anschaffungskosten
Zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören insbesondere:
- offene oder verdeckte Einlagen,
- Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war, und
- Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war.
Die rein gesellschaftsintern wirkende Umgliederung einer freien Gewinnrücklage in eine zweckgebundene Rücklage führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf den Geschäftsanteil des veräußernden Gesellschafters (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2017, IX R 7/17, BStBl II 2019 S. 213).
1. Offene oder verdeckte Einlagen (§ 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 1 EStG)
Ob eine offene oder eine verdeckte Einlage vorliegt, richtet sich nach handels‑, bilanzsteuer‑ und körperschaftsteuerrechtlichen Grundsätzen.
Zu den offenen Einlagen zählen insbesondere Nachschüsse (§§ 26ff GmbHG), Barzuschüsse und sonstige Zuzahlungen (§ 272 Absatz 2 Nummer 4 HGB) wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage. Auch Einlagen, die in zeitlicher Nähe zur Veräußerung der Beteiligung geleistet werden (sog. Einlagen in letzter Minute), sind als offene Einlage i. S. v. § 17 Absatz 2a EStG zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 2018, IX R 5/15, BStBl II 2019 S. 194).
Zu den verdeckten Einlagen (vgl. R 8.9 Absatz 1 KStR) gehört insbesondere der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen in Höhe des werthaltigen Teils. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich im Zeitpunkt des Verzichtes um ein fremdübliches oder um ein gesellschaftsrechtlich veranlasstes Darlehen handelt. Der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil des Gesellschafterdarlehens ist ggf. unter den Voraussetzungen des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 i. V. m. Satz 2 EStG zu berücksichtigen (vgl. Randnummer 18).
Eine verdeckte Einlage kann auch vorliegen, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies kann der Fall sein bei einem Gesellschafterdarlehen, dessen Rückzahlung auf Grundlage der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen, wie beispielsweise der Vereinbarung eines Rangrücktritts i. S. d. § 5 Absatz 2a EStG, im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die Rückzahlung von Eigenkapital, wenn und soweit der die Ausbuchung auslösende Rangrücktritt nicht betrieblich, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war und die entsprechenden Forderungen des Gläubigers noch werthaltig waren (BFH-Urteil vom 15. April 2015, I R 44/14, BStBl II S. 769).
2. Darlehensverluste (§ 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG)
Verluste aus Gesellschafterdarlehen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens gesellschaftsrechtlich – also durch das Gesellschaftsverhältnis – veranlasst war. Das gilt auch für Verluste von Darlehen, die unter das Kleinanlegerprivileg (§ 39 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 i. V. m. Absatz 5 InsO) fallen und von Darlehen, die nach § 39 Absatz 1 Nummer 5 i. V. m. Absatz 4 InsO nicht dem Nachranggebot unterliegen (sog. Sanierungsprivileg).
3. Gesellschaftsrechtliche Veranlassung (§ 17 Absatz 2a Satz 4 EStG)
Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Darlehensgewährung ist danach zu beurteilen, ob die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten noch ein Darlehen zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte. Allein die Vereinbarung eines Gesellschafterdarlehens zu nicht marktüblichen Bedingungen (z. B. zinsloses Darlehen) führt daher noch nicht zur Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung i. S. v. § 17 Absatz 2a Satz 4 EStG.
Ein Darlehen ist dann gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung (Krisendarlehen, vgl. Randnummer 11) oder Weitergewährung (sog. stehengelassenes Darlehen, vgl. Randnummern 16 bis 18) die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Bei sog. krisenbestimmten Darlehen (vgl. Randnummern 12, 13) und Finanzplandarlehen (vgl. Randnummern 14, 15) ist unabhängig von einer tatsächlichen Krise stets von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auszugehen.
Liegt keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vor, ist eine steuerliche Berücksichtigung des Darlehensverlustes nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen möglich. Randnummern 5 und 6 bleiben unberührt.
4. Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten
Im Einzelnen sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:
a) Hingabe des Darlehens in der Krise (Krisendarlehen)
Im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise ist bei Verlust der Nennwert des Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen (§ 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG). Entsprechendes gilt bei Darlehensverzicht (§ 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 1 und 2 EStG). Eine Berücksichtigung des Verlustes eines solchen Darlehens im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist aufgrund der Subsidiarität des § 20 EStG zu § 17 EStG nicht möglich (vgl. § 20 Absatz 8 EStG).
b) Krisenbestimmtes Darlehen
Ein krisenbestimmtes Darlehen ist ein Darlehen, bei dem der Gesellschafter schon vor dem Eintritt der Krise mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch im Falle einer Krise stehen lassen werde.
Im Falle eines krisenbestimmten Darlehens gilt Randnummer 11 entsprechend.
c) Finanzplandarlehen
Ein Finanzplandarlehen ist ein Darlehen, das von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise einbezogen wird, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft krisenunabhängig durch eine Kombination von Eigen‑ und Fremdfinanzierung erreicht werden soll. Ein solches von den Gesellschaftern gewährten „finanzplanmäßigen“ Darlehen zur Finanzierung des Unternehmenszwecks ist den Einlagen gleichgestellt.
Der Verlust eines Finanzplandarlehens ist in Höhe seines Nennwerts als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen (§ 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG). Eine Berücksichtigung des Verlustes eine solchen Darlehens im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist aufgrund der Subsidiarität des § 20 EStG zu § 17 EStG nicht möglich (vgl. § 20 Absatz 8 EStG).
d) Stehen gelassenes Darlehen
Was im Fall der Hingabe des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gilt, gilt grundsätzlich auch bei einem der Gesellschaft vor der Krise gewährten fremdüblichen Darlehen, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein wird (sog. stehen gelassenes Darlehen).
Im Falle eines stehen gelassenen Darlehens führt bei Verlust nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil des stehen gelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten (§ 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG). Der Verlust des im Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht mehr werthaltigen Teils des stehen gelassenen Darlehens ist nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen zu berücksichtigen.
Beispiel 1:
A hält einen Geschäftsanteil in Höhe von 100 % des Stammkapitals an der A-GmbH. Im Jahr 01 gewährte A der A-GmbH ein fremdüblich vereinbartes Darlehen in Höhe 100.000 Euro. Im Jahr 04 gerät die A-GmbH in die Krise. A lässt das Darlehen stehen. Das Darlehen ist bei Kriseneintritt nur noch zu 50 % (50.000 Euro) werthaltig. Im Jahr 05 wird die A-GmbH insolvenzfrei liquidiert. Eine Rückzahlung des Darlehens erfolgt nicht.
Mit dem Stehenlassen des Darlehens in der Krise wird das Darlehen gesellschaftsrechtlich veranlasst. Der zum Eintritt der Krise (Stehenlassen des Darlehens) nicht mehr werthaltige Teil der Forderung (50.000 Euro) kann im Verlustzeitpunkt (Veranlagungszeitraum 05) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen berücksichtigt werden. Der zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise noch werthaltige Teil der Forderung (50.000 Euro) ist im Veranlagungszeitraum der Liquidation (Veranlagungszeitraum 05) als Darlehensverlust als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG berücksichtigungsfähig.
Im Falle des Verzichtes führt nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil des stehen gelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten. Dabei stellt der im Zeitpunkt des Verzichtes noch werthaltige Teil eine verdeckte Einlage nach § 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 1 EStG und der nicht mehr werthaltige Teil einen Darlehensverlust i. S. v. § 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG dar. Der Verzicht auf den bereits im Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht mehr werthaltigen Teil des stehen gelassenen Darlehens ist nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen zu berücksichtigen.
Beispiel 2:
A hält einen Geschäftsanteil in Höhe von 100 % des Stammkapitals an der A-GmbH. Im Jahr 01 gewährte A der A-GmbH ein fremdüblich vereinbartes Darlehen in Höhe von 100.000 Euro. Im Jahr 04 gerät die A-GmbH in die Krise. A lässt das Darlehen stehen. Das Darlehen ist bei Kriseneintritt nur noch zu 50 % (50.000 Euro) werthaltig. Im Jahr 05 verzichtet A auf die Darlehensforderung. Zu diesem Zeitpunkt ist die Darlehensforderung nur noch zu 20 % (20.000 Euro) werthaltig. Im Jahr 07 veräußert A seinen Geschäftsanteil.
Mit dem Stehenlassen des Darlehens in der Krise wird das Darlehen gesellschaftsrechtlich veranlasst. Der zum Eintritt der Krise (Stehenlassen des Darlehens) nicht werthaltige Teil der Forderung (50.000 Euro) kann im Verzichtszeitpunkt (Veranlagungszeitraum 05) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen berücksichtigt werden. Der im Zeitpunkt des Verzichtes noch werthaltige Teil (20.000 Euro) ist im Zeitpunkt der Veräußerung (Veranlagungszeitraum 07) nach § 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 1 EStG als verdeckte Einlage und damit als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Der zum Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltige Teil der Forderung (30.000 Euro) ist im Veranlagungszeitraum 07 als Darlehensverlust als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG zu berücksichtigen.
e) Veräußerung eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens
Ein Verlust aus der Veräußerung eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens an die Gesellschaft oder einen Dritten führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Absatz 2a EStG, soweit keine verdeckte Einlage vorliegt. Eine Berücksichtigung des Verlustes ist nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dort genannten Voraussetzungen möglich.
II. Bürgschaftsregressforderung und vergleichbare Forderung
Die Ausführungen unter I. gelten sinngemäß für Bürgschaftsregress‑ und vergleichbare Forderungen.
III. Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Eine Berücksichtigung von Darlehensverlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist nur möglich, soweit der Darlehensverlust nach den vorstehenden Ausführungen nicht nach § 17 EStG zu berücksichtigen ist (§ 20 Absatz 8 EStG).
1. Einkunftserzielungsabsicht
Der Ausfall einer Darlehensforderung kann einkommensteuerrechtlich nur als Verlust berücksichtigt werden, wenn das Darlehen in der Absicht gewährt wurde, positive Einkünfte zu erzielen. Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist infolge des beschränkten und pauschalierten Werbungskostenabzugsverbots regelmäßig von einer (widerlegbaren) Einkunftserzielungsabsicht auszugehen (BFH-Urteil vom 14. März 2017, VIII R 38/15, BStBl II S. 1040). Allein die Unverzinslichkeit einer Darlehensforderung eines Gesellschafters führt nicht dazu, dass keine Einkunftserzielungsabsicht vorliegt, da sich die Einkunftserzielungsabsicht hier auch aus anderen Vorteilen (z. B. Wertsteigerung des Anteils an der Gesellschaft, Erzielung Geschäftsführergehalt) ergeben kann. Von einer fehlenden Einkunftserzielungsabsicht ist nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung insgesamt unmöglich ist.
Lag im Zeitpunkt der Darlehensgewährung eine Einkunftserzielungsabsicht vor, dann ist im Zeitpunkt des Kriseneintritts keine erneute Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht vorzunehmen. Dies gilt insbesondere für den bei Eintritt der Krise wertlosen Teil eines ursprünglich fremdüblich gewährten Darlehens, das bei Eintritt der Krise stehen gelassen wird.
2. Eintritt der Uneinbringlichkeit einer Darlehensforderung
a) Ausfall der Darlehensforderung
Nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 und Satz 2 sowie Absatz 4 EStG führt der endgültige Ausfall einer Darlehensforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust. Steuerliche Auswirkungen hat der Darlehensausfall jedoch nur, wenn die steuerpflichtige Person für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat (BFH-Urteil vom 6. August 2019, VIII R 18/16, BStBl II 2020 S. 833). Von einem endgültigen Forderungsausfall ist auszugehen, wenn feststeht, dass keine Rückzahlung mehr stattfinden wird. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus. Etwas anderes gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr stattfinden wird (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017, VIII R 13/15, BStBl II 2020 S. 831). Der Verlust wird in dem Veranlagungszeitraum realisiert, in dem seine Höhe endgültig feststeht (vgl. Randnummer 60 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2022, BStBl I S. 742).Von einem endgültigen Ausfall einer privaten Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG ist jedenfalls dann auszugehen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Absatz 1 Satz 1 InsO angezeigt hat (BFH-Urteil vom 1. Juli 2021, VIII R 28/18, BStBl II S. 911).
b) Verzicht auf die Darlehensforderung
Der Verzicht auf eine nicht werthaltige Darlehensforderung steht einem Forderungsausfall gleich und führt nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 und Satz 2 sowie Absatz 4 EStG zu einem steuerlich anzuerkennenden Veräußerungsverlust (BFH-Urteil vom 6. August 2019, VIII R 18/16, BStBl II 2020 S. 833). Steuerliche Auswirkungen hat der Darlehensverzicht jedoch nur, wenn die steuerpflichtige Person für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat (BFH-Urteil vom 6. August 2019, VIII R 18/16, a. a. O.). Der Anerkennung des Verlusts steht die Freiwilligkeit des Verzichts nicht entgegen. Bei einem teilweisen Verzicht ist nur der Teil der nicht werthaltigen Kapitalforderung, auf den verzichtet wurde, als Verlust steuerlich zu berücksichtigen. Der Verlust ist im Fall eines Verzichts in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Verzicht erklärt wurde (vgl. Randnummer 61 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2022, BStBl I S. 742).
c) Begrenzung der Verlustverrechnung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Absatz 6 EStG i. V. m. § 32d Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe b und Satz 2 EStG
aa) Darlehensgewährung vor dem 1. Januar 2009
Verluste aus dem Ausfall oder Verzicht von Darlehen, deren rechtliche Grundlage vor dem 1. Januar 2009 (also vor Einführung der Abgeltungsteuer) begründet wurde (Darlehensgewährung oder Erwerb der Darlehensforderung), können nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.
bb) Darlehensgewährung nach dem 31. Dezember 2008
Bei Verlusten aus Darlehen, deren rechtliche Grundlage nach dem 31. Dezember 2008, aber vor dem 1. Januar 2021 begründet wurde, ist zu unterscheiden, ob der Anteilseigner zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt oder eine einem solchen Anteilseigner nahe stehende Person (vgl. Randnummer 136 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2022, BStBl I S. 742) ist oder ob die Beteiligung des Anteilseigners unterhalb dieser Schwelle liegt.
aaa) Beteiligung unter 10 %
Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2019 sind Darlehensverluste uneingeschränkt mit übrigen Kapitaleinkünften verrechenbar (§ 20 Absatz 6 Satz 1 bis 3 EStG).
Darlehensverluste ab Veranlagungszeitraum 2020 sind nur nach Maßgabe des § 20 Absatz 6 Satz 6 EStG mit den übrigen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar (vgl. Randnummer 118 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2022, BStBl I S. 742).
bbb) Beteiligung des Anteilseigners mindestens 10 % oder Darlehensvergabe durch eine einem solchen Anteilseigner nahe stehende Person bei Darlehensgewährung vor dem 1. Januar 2021
In diesen Fällen sind die Verluste aus einem Darlehen bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2023 uneingeschränkt mit anderen positiven Einkünften verrechenbar (§ 32d Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe b und Satz 2 i. V. m. § 52 Absatz 33b EStG). Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 ist § 32d Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe b und Satz 2 EStG auf Verluste aus einem Darlehen nicht mehr anzuwenden mit der Folge, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Absatz 6 Satz 6 EStG greift (vgl. Randnummer 118 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2022, BStBl I S. 742).
ccc) Beteiligung des Anteilseigners mindestens 10 % oder Darlehensvergabe durch eine einem solchen Anteilseigner nahe stehende Person bei Darlehensgewährung nach dem 31. Dezember 2020
In diesen Fällen ist § 32d Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe b und Satz 2 EStG auf Verluste eines Darlehens nicht mehr anzuwenden mit der Folge, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Absatz 6 Satz 6 EStG greift (vgl. Randnummer 118 des BMF-Schreibens vom 19. Mai 2022, BStBl I S. 742).
IV. Anwendungsregelung (Abschnitt I und II)
1. Veräußerung i. S. d. § 17 EStG ab 1. August 2019
Abschnitt I und II dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden, wenn die Veräußerung (§ 17 Absatz 1 EStG) oder der einem der Veräußerung gleich gestellte Vorgang i. S. v. § 17 Absatz 4 und 5 EStG nach dem 31. Juli 2019 stattgefunden hat (§ 52 Absatz 25a Satz 1 EStG). Der Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder des Darlehenserwerbs ist unmaßgeblich. Es kommt ausschließlich auf den Zeitpunkt des Übergangs des zivilrechtlichen/wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen an der Kapitalgesellschaft an. Soweit in Veranlagungszeiträumen vor 2019 der Verlust von gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt wurde, ist dies nicht zu beanstanden. Eine Berücksichtigung des Darlehensverlustes in einem späteren Veranlagungszeitraum im Rahmen der nachträglichen Anschaffungskosten bei § 17 EStG ist in diesen Fällen nicht möglich.
2. Veräußerung i. S. d. § 17 EStG bis 31. Juli 2019
Abschnitt I und II dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden, wenn die Veräußerung (§ 17 Absatz 1 EStG) oder der einem der Veräußerung gleich gestellte Vorgang i. S. v. § 17 Absatz 4 und 5 EStG bis 31. Juli 2019 stattgefunden hat und die steuerpflichtige Person die Anwendung von § 17 Absatz 2a EStG beantragt (§ 52 Absatz 25a Satz 2 EStG). Der Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder des Darlehenserwerbs ist unmaßgeblich. Es kommt ausschließlich auf den Zeitpunkt des Übergangs des zivilrechtlichen/wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen an der Kapitalgesellschaft an.
Wird ein Antrag nach § 52 Absatz 25a Satz 2 EStG gestellt, sind Verluste aus Kapitalvermögen aufgrund eines Verlustes eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens in Veranlagungszeiträumen vor der Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht zu berücksichtigen. Liegen für diese Veranlagungszeiträume bereits Steuerbescheide vor, sind diese nach § 174 Absatz 2 AO zu ändern, soweit diese Verluste im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt wurden.
Wird kein Antrag nach § 52 Absatz 25a Satz 2 EStG gestellt, sind die BMF-Schreiben vom 21. Oktober 2010 (BStBl I S. 832) und vom 5. April 2019 (BStBl I S. 257) weiter anzuwenden.
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