Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gelten für den zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehr in Steuerstrafsachen (einschließlich Steuerordnungswidrigkeiten) die nachfolgenden Grundsätze. Dieses Schreiben gilt nicht für Abgaben, die in die Zuständigkeit der Zollverwaltung fallen.
1.
Allgemeines
1.1
Zwischenstaatliche Rechtshilfe in Steuerstrafsachen
Die deutschen Finanzbehörden beanspruchen oder leisten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zwischenstaatliche Rechtshilfe bei der Ermittlung und Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach Maßgabe der in diesem Schreiben dargestellten Grundsätze. Diese Grundsätze gelten für Taten, deren Verfolgung den Finanzbehörden nach §§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO oder durch Einzelgesetze zugewiesen ist, und für die Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 377, 409 ff. AO).
Rechtshilfe ist jede Unterstützung, die für ein Verfahren in einer strafrechtlichen Angelegenheit (§ 1 Abs. 2 IRG) in einem anderen Staat gewährt wird, unabhängig davon, ob das Verfahren von einem Gericht oder einer anderen Behörde betrieben wird und ob die Rechtshilfe von einem Gericht oder von einer anderen Behörde zu leisten ist; vgl. Nr. 2 RiVASt. Dieses Merkblatt gilt für die sonstige Rechtshilfe (§ 59 Abs. 1 IRG); es gilt daher nicht für Auslieferung und Vollstreckung.
Strafrechtliche Angelegenheiten sind auch Verfahren wegen einer Tat, die nach deutschem Recht als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße oder die nach ausländischem Recht mit einer vergleichbaren Sanktion bedroht ist, sofern über deren Festsetzung ein auch für Strafsachen zuständiges Gericht entscheiden kann (§ 1 Abs. 2 IRG).
Rechtshilfe kann auch in Anspruch genommen oder geleistet werden für Straftaten oder Zuwiderhandlungen, für die im ersuchenden Staat eine juristische Person verantwortlich gemacht werden kann.
Rechtshilfe braucht nicht in Anspruch genommen zu werden, soweit der unmittelbare Verkehr mit Personen im Ausland gestattet ist; im Einzelnen vgl. Nr. 121 und Länderteil RiVASt.1.2
Rechtsgrundlagen
1.2.1
Überblick
Die Rechtsgrundlagen der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Steuerstrafsachen ergeben sich aus multi- und bilateralen Verträgen sowie - ergänzend, für die dort nicht geregelten Fragen - aus dem IRG und den RiVASt. Rechtshilfeverkehr ist auch bei vertragslosem Zustand möglich; in diesem Fall richtet er sich ausschließlich nach nationalem Recht, insbesondere dem IRG.
Als Rechtsgrundlagen kommen in Frage:1.2.2
Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (EuRhÜbk)
Basiskonvention ist das EuRhÜbk vom 20.04.1959. Es wird ergänzt durch das 1. Zusatzprotokoll vom 17.03.1978, das 2. Zusatzprotokoll vom 08.11.2001 sowie durch bilaterale Verträge.
Das EuRhÜbk begründet die Verpflichtung, einander soweit wie möglich Rechtshilfe zu leisten. Reichweite und Schranken ergeben sich unmittelbar aus den Bestimmungen des Übereinkommens, aus den Zusatzprotokollen vom 17.03.1978 (1. ZP-EuRhÜbk) und vom 08.11.2001 (2. ZP-EuRhÜbk), aus Vorbehalten und Erklärungen einzelner Unterzeichnerstaaten zum EuRhÜbk bzw. zu den ZP-EuRhÜbk und ggf. aus bilateralen Zusatzverträgen oder ‑vereinbarungen.
Nach Art. 2 EuRhÜbk kann Rechtshilfe verweigert werden, wenn sich ein Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die als Fiskalstraftaten angesehen werden (Fiskalvorbehalt). Rechtshilfe in Fiskalsachen muss nur geleistet werden, wenn und soweit dies in Zusatzverträgen oder -vereinbarungen zum EuRhÜbk ausdrücklich vorgesehen ist. Auf Art. 1 und 2 des 1. ZP-EuRhÜbk wird hingewiesen.
Justizbehörden können in dringenden Fällen unmittelbar miteinander verkehren, ggf. unter Einschaltung der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation Interpol (Art. 15 Abs. 2 bis 5 EuRhÜbk).1.2.3
Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten (MS) der Europäischen Union (EU-RhÜbk) und Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
Zweck des EU-RhÜbk vom 29.05.2000 ist es, im Verhältnis zwischen den EU‑MS die Anwendung des EuRhÜbk vom 20.04.1959 und dessen 1. Zusatzprotokoll zu erleichtern und bestimmte Regelungen des SDÜ zu ersetzen. Das EU-RhÜbk ist - bis auf Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg und Malta - für alle anderen EU‑MS bereits in Kraft getreten; darüber hinaus gilt es nach seinem Art. 29 Abs. 4 auch für Island und Norwegen.
Das EU-RhÜbk enthält eine Reihe von formellen Erleichterungen für Rechtshilfeersuchen. Durch Art. 2 EU-RhÜbk werden die Art. 49 Buchstabe a) sowie die Art. 52, 53 und 73 SDÜ aufgehoben.
Im Protokoll vom 16.10.2001 zum EU-RhÜbk (ZP-EU-RhÜbk) wurde der Fiskalvorbehalt (s. Tz. 1.2.2) aufgegeben. Darüber hinaus haben sich die EU‑MS verpflichtet, Auskünfte über Bankkonten im Rahmen der Rechtshilfe in Strafsachen zu erteilen. Ein eventuell nach nationalem Recht bestehendes Bankgeheimnis darf der Beantwortung nicht entgegenstehen. Durch Art. 8 Abs. 3 des Protokolls wurde Art. 50 SDÜ aufgehoben.
Hinweis: Art. 51 SDÜ (Bedingungen für Durchsuchung und Beschlagnahme) wird weder durch das EU-RhÜbk noch durch das ZP-EU-RhÜbk berührt. Dies gilt auch für Auskunftsersuchen zu Bankkonten nach Art. 1 Abs. 5 ZP-EU-RhÜbk.
Im Verhältnis zu Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg und Malta gilt bis zum In-Kraft-Treten des EU-RhÜbk das SDÜ weiter.
Weitergehende bi- oder multilaterale Vereinbarungen zwischen den EU‑MS bzw. den sog. Schengen-Staaten sind daneben anwendbar (Art. 1 Abs. 2 EU-RhÜbk bzw. Art. 48 Abs. 2 SDÜ).1.2.4
Bilaterale Rechtshilfeabkommen
Mit zahlreichen Staaten bestehen bilaterale Abkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen. Einzelne Abkommen schließen die Rechtshilfe in Steuerstrafsachen generell aus oder sehen einen Ablehnungsvorbehalt für Fiskaldelikte vor. Daneben bestehen Abkommen speziell auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Steuerstrafsachen.1.2.5
Rechtshilfe ohne völkerrechtliche Vereinbarung
Eine ausländische Justizbehörde kann auch dann um Rechtshilfe ersuchen oder ersucht werden, wenn keine völkerrechtliche Vereinbarung besteht. In solchen Fällen sind ausschließlich die innerstaatlichen Vorschriften (IRG und RiVASt) anzuwenden.1.2.6
Verhältnis der Regelungen zueinander
Nach § 1 Abs. 3 IRG sind Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen vorrangig anzuwenden, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind. Soweit im Verhältnis zu einem Staat mehrere Regelungen zur Rechtshilfe bestehen, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, welche Rechtsgrundlage für die Rechtshilfe herangezogen werden sollte.1.3
Verhältnis zur Amtshilfe in Steuersachen
Von der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Steuerstrafsachen ist die zwischenstaatliche Amtshilfe zu unterscheiden; insoweit wird auf die Merkblätter zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen hingewiesen.
Wird die Finanzbehörde als Strafverfolgungsbehörde in einem Steuerstrafverfahren zur Ermittlung einer Steuerstraftat (§§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1, und 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) oder als zuständige Verwaltungsbehörde in einem Bußgeldverfahren zur Ermittlung einer Steuerordnungswidrigkeit (§§ 409, 410, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) tätig, sind strafprozessuale Maßnahmen für Zwecke dieser Verfahren, wie z.B. Durchsuchung, Beschlagnahme und Zeugenvernehmung, nach den Regeln über die zwischenstaatliche Rechtshilfe in Strafsachen durchzuführen.
Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Steuerstrafverfahren ist untrennbarer Bestandteil dieses Verfahrens. Die Ermittlungsergebnisse des Steuerstrafverfahrens können - jedenfalls in der Regel - unmittelbar im Besteuerungsverfahren verwendet werden.
Auch nach Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens können noch Auskünfte auf dem Amtshilfeweg zum Zweck der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen unter Beachtung des § 393 Abs. 1 AO eingeholt und erteilt werden. Grundlage hierfür sind die Doppelbesteuerungsabkommen mit großer Auskunftsklausel, bilaterale Amtshilfe-Verträge, die EG-Amtshilfe-Richtlinie, sowie die Verordnung - VO (EG) Nr. 1798/2003 vom 07.10.2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92. In Frage kommen von Behörden oder Gerichten erlangbare Auskünfte, wie z.B. aus Steuerakten oder öffentlichen Registern.
Die so erlangten Erkenntnisse können unmittelbar für das Straf- oder Bußgeldverfahren verwendet werden (§ 4 Abs. 1 EGAHiG, Art. 41 Abs. 1 letzter Satz VO [EG] Nr. 1798/2003). Eine Bekanntgabe erhaltener Auskünfte in öffentlichen Gerichtsverhandlungen oder Gerichtsentscheidungen ist nur zulässig, sofern der ausländische Staat nichts dagegen eingewendet hat (§ 4 Abs. 2 EGAHiG).
Ist in gleicher Sache zuvor ein Rechtshilfeersuchen gestellt worden, so ist im Amtshilfeersuchen darauf hinzuweisen.1.4
Rechtshilfeverkehr und Steuergeheimnis
Das Steuergeheimnis gilt auch gegenüber ausländischen Behörden. Es steht jedoch dem Rechtshilfeverkehr nicht entgegen, soweit
- die mit einem deutschen Rechtshilfeersuchen verbundene Offenbarung steuerlicher Verhältnisse zur Durchführung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig und erforderlich ist oder
- die mit der Erledigung eines ausländischen Rechtshilfeersuchens verbundene Offenbarung steuerlicher Verhältnisse durch völkerrechtliche Vereinbarungen oder durch § 117 AO i.V.m. § 59 Abs. 3 IRG ausdrücklich zugelassen ist (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO).
Alle Angaben, die den deutschen Finanzbehörden im Zusammenhang mit einem Rechtshilfeersuchen zugehen, unterliegen dem Steuergeheimnis (§ 30 AO). Außerdem unterliegen sie dem besonderen Geheimhaltungsschutz der völkerrechtlichen Vereinbarungen. Darauf wird grundsätzlich durch geeignete Aufdrucke oder im Anschreiben an die Landesfinanzbehörde hingewiesen, es sei denn, der Hinweis ist bereits im Anschreiben der ausländischen Behörde enthalten.
1.5
Bewilligungsbefugnis im zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehr
Nach Nr. 5 Buchstabe c) der Vereinbarung vom 28.04.2004 zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen über die Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten - Zuständigkeitsvereinbarung 2004 - ist grundsätzlich die Bundesregierung für die Bewilligung der Rechtshilfe wegen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über öffentlich-rechtliche Abgaben (Steuern) zuständig. Die Landesregierungen sind daher für die Rechtshilfe nur zuständig, wenn
- es sich um ein Ersuchen von einem oder an einen EU‑MS handelt,
- Gefahr in Verzug ist,
- aufgrund einer vertraglichen Pflicht eine Zustellung erfolgen soll oder
- es sich um ein Ersuchen im Rechtshilfeverkehr mit denjenigen Staaten, die das 1. ZP-EuRhÜbk ratifiziert haben, oder der Schweiz handelt.
Über die Erledigung und Stellung von Ersuchen ohne völkerrechtliche Vereinbarung entscheidet das Bundesministerium der Justiz (BMJ) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit (sog. Bewilligungsverfahren). Das BMF hat seine Bewilligungsbefugnis gem. § 74 Abs. 1 Satz 3 IRG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG mit Wirkung vom 01.09.2004 auf das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übertragen.
1.6
Umfang des zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehrs
Der Umfang der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Steuerstrafsachen bestimmt sich nach den völkerrechtlichen Vereinbarungen (§ 1 Abs. 3 IRG) oder nach §§ 59 ff. IRG. Folgende Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:
- Durchsuchung von Personen und Räumen;
- Beschlagnahme und Herausgabe von Beweismitteln;
- Vernehmung von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen;
- Einnahme richterlichen Augenscheins und
- Zustellung von Verfahrensurkunden.
1.7
Verfahren des zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehrs
Das Verfahren richtet sich nach den §§ 385 ff. AO, der StPO, dem IRG und den entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarungen. Einzelheiten zum Verfahren sowie zur Zuständigkeit ergeben sich aus den RiVASt und der Zuständigkeitsvereinbarung 2004. Aus dem Länderteil der RiVASt ergibt sich, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Rechtshilfe in Fiskalstrafsachen geleistet wird.
Bei Stellung von Ersuchen ohne völkerrechtliche Vereinbarung kann es sich empfehlen, durch eine Voranfrage (u.a. beim BZSt) zu klären, ob ein Rechtshilfeersuchen Aussicht auf Erfolg hat.1.8
Kosten des zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehrs
Die Kostenfrage entscheidet sich nach dem jeweiligen Übereinkommen, wie z.B. Art. 20 EuRhÜbk. In der Regel trägt der ersuchte Staat die Kosten für die Erledigung des Rechtshilfeersuchens. Ausnahmen sind z.B. die Kosten und Honorare von Sachverständigen. Auf die Geltendmachung der Kosten kann nach § 75 IRG verzichtet werden. Einzelheiten zur Kostentragung und -berechnung ergeben sich aus Nr. 15 RiVASt. Anfallende Kosten sind Kosten des Strafverfahrens.2
Deutsche Rechtshilfeersuchen in Steuerstrafsachen an das Ausland
2.1
Allgemeines
Rechtshilfe in Steuerstrafsachen kann erst beantragt werden, wenn ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Bei Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO kommt nur Amtshilfe in Betracht.2.2
Zuständigkeit für das Stellen von Ersuchen
2.2.1
EuRhÜbk und daran anknüpfende Abkommen
Nach dem EuRhÜbk sind Ersuchen von Justizbehörden zu stellen. In der deutschen Erklärung zu Art. 24 EuRhÜbk sind die Staatsanwaltschaften als Justizbehörden aufgeführt, nicht jedoch die Finanzbehörden und ihre Straf- und Bußgeldsachenstellen. Hält die Finanzbehörde die Stellung eines Rechtshilfeersuchens für erforderlich, muss sie sich an die zuständige Staatsanwaltschaft wenden.2.2.2
Bilaterale Verträge und vertragloser Bereich
Ermittelt die Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren, kann sie Ersuchen auf der Grundlage bilateraler Verträge selbst stellen, sofern sie in dem betreffenden Vertrag als berechtigte Behörde benannt ist (§§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO, Nr. 127 RiVASt).
Im vertraglosen Bereich gelten die Ausführungen zu Tz. 2.2.1 entsprechend.2.3
Geschäftswege bei ausgehenden Ersuchen, Bewilligung
Ausgehende Rechtshilfeersuchen bedürfen der völkerrechtlichen Bewilligung durch die Bundesregierung oder durch die von ihr durch Delegation bestimmten Stellen.
Wird das Ersuchen durch die Justizbehörde gestellt, leitet diese das Ersuchen nach Bewilligung auf dem vorgesehenen Geschäftsweg an die ausländische Empfangsbehörde weiter.
Sofern die Finanzbehörde das Ersuchen aufgrund eines bilateralen Vertrages stellt (Tz. 2.2.2), leitet sie das Ersuchen der zuständigen Justizbehörde zur Bewilligung zu. Nach Bewilligung leitet die Finanzbehörde das Ersuchen auf dem vorgesehenen Geschäftsweg an die ausländische Empfangsbehörde weiter.2.4
Inhalt
Bei der Abfassung des Ersuchens sind die RiVASt zu beachten; auf die in Nr. 150 RiVASt aufgeführten Muster und das diesem Merkblatt als Anlage beigefügte Muster für ein ausgehendes Ersuchen auf der Grundlage des EuRhÜbk wird hingewiesen.
Der Sachverhalt ist knapp und soweit darzustellen, wie es für die sachgerechte Erledigung erforderlich ist. Schwierige steuerrechtliche Zusammenhänge sind zu erläutern. Fachausdrücke und Abkürzungen sind zu vermeiden oder kurz zu erläutern. Einem Ersuchen und seinen Anlagen sind Übersetzungen beizufügen, sofern in den entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist. Ist ein Übersetzungsverzicht vereinbart, empfiehlt es sich in besonders bedeutsamen oder eilbedürftigen Fällen gleichwohl, eine Übersetzung beizufügen. Auf Nr. 14 RiVASt wird hingewiesen.
Änderungen der Sachlage nach Abgang des Ersuchens sind der ausländischen Behörde sofort anzuzeigen (Nr. 31 RiVASt).
Auf die nach deutschem Recht bestehenden Aussage-, Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte ist hinzuweisen (§§ 136 Abs. 1, 52 ff. StPO).
Die Finanzbehörde kann besondere Wünsche für die Erledigung in dem Ersuchen äußern. Sie kann z.B. um die Erledigung durch eine bestimmte ausländische Steuerfahndungsstelle, die Anwesenheit deutscher Beamter oder die förmliche Vernehmung von Zeugen bitten.2.5
Erledigung
Der ersuchte Staat erledigt das Ersuchen grundsätzlich nach seinem Recht. Soweit das EU-RhÜbk anzuwenden ist, kann der ersuchende Staat die Einhaltung seiner Verfahrensvorschriften verlangen (Art. 4 Abs. 1 EU-RhÜbk).
Der ersuchte Staat bestimmt, welcher Stellen er sich hierzu bedient. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass
- die allgemein für die Strafverfolgung zuständigen Stellen eingesetzt werden;
- der ersuchte Staat sich an seine zuständigen Finanzbehörden wendet, soweit Unterlagen dieser Behörden angefordert werden.
2.6
Anschlussersuchen, Richtigstellung
Ist die Erledigung des Ersuchens unzureichend oder ergibt sich ein zusätzliches Aufklärungsbedürfnis, so kann ein ergänzendes Ersuchen (Anschlussersuchen) gestellt werden; auf Tz. 2.3 wird hingewiesen. Ergeben sich bei der Auswertung der Antwort oder später Anhaltspunkte dafür, dass sich der Sachverhalt anders darstellt als der ausländischen Behörde übermittelt, so ist sie davon zu unterrichten.2.7
Unterrichtung des Beschuldigten
Eine Verpflichtung der Finanzbehörde, den Beschuldigten über die beabsichtigten Ermittlungen zu unterrichten, besteht nicht. Der Beschuldigte kann jedoch auf das beabsichtigte Ersuchen hingewiesen werden.2.8
Anwesenheit deutscher Beamter im Ausland
Deutsche Beamte/Richter dürfen im Ausland keine Amtshandlungen vornehmen. Sie können bei Amtshandlungen im Ausland nur mit Genehmigung des jeweiligen ausländischen Staates anwesend sein. Sofern die Genehmigung nicht bereits allgemein erteilt ist, ist sie im Rahmen des Rechtshilfeersuchens zu beantragen. Auf Nrn. 140 bis 142 RiVASt wird hingewiesen.
Art. 13 EU-RhÜbk räumt die Möglichkeit zur Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen zum Zweck von strafrechtlichen Ermittlungen ein; dabei können deutsche Mitglieder der Ermittlungsgruppe in einem anderen EU‑MS-Mitgliedstaat(en) der Europäischen Union mit der Durchführung von Ermittlungshandlungen betraut werden.
Nacheile aufgrund Art. 41 SDÜ ist für Steuerfahndungsbeamte nicht möglich.
2.9
Verkehr mit deutschen Auslandsvertretungen
Die deutschen Auslandsvertretungen (Botschaften, Generalkonsulate, Konsulate) können sowohl im Strafverfahren als auch im Besteuerungsverfahren unmittelbar um Unterstützung ersucht werden (Art. 35 Abs. 1 GG, § 111 AO, Nrn. 128, 131 RiVASt ). Der Verkehr mit den Auslandsvertretungen ist innerstaatlicher Verkehr (Nr. 129 RiVASt ).
Die deutschen Auslandsvertretungen können die Ersuchen in eigener Zuständigkeit erledigen, soweit dies mit dem Recht des Aufenthaltsstaates vereinbar ist. Im Allgemeinen beschränkt sich ihre Befugnis auf die Erteilung von Auskünften, die Vornahme von Zustellungen an Deutsche und die Vernehmung von Deutschen als Zeugen, Sachverständige oder Beschuldigte (Nr. 129 RiVASt). Einzelne Staaten lassen ein weitergehendes Tätigwerden bis hin zur Vernehmung von Angehörigen des anderen Staates zu, sofern diese dazu bereit sind. Hinweise hierzu enthält der Länderteil der RiVASt.3
Ausländische Rechtshilfeersuchen in Steuerstrafsachen
3.1
Allgemeines
Die deutschen Justiz- und Finanzbehörden können aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder des Fünften und Siebenten Teils des IRG Rechtshilfe in Steuerstrafsachen leisten.3.2
Geschäftswege bei eingehenden Ersuchen, Bewilligung
Die Erledigung eingehender Rechtshilfeersuchen bedarf der völkerrechtlichen Bewilligung durch die Bundesregierung oder durch die von ihr durch Delegation bestimmten Stellen.
Geht ein Ersuchen um Rechtshilfe in Steuerstrafsachen direkt bei einer deutschen Finanzbehörde ein, so legt sie das Ersuchen unmittelbar der zuständigen Bewilligungsbehörde (s. Tz. 2.3) vor.
Bei Gefahr im Verzug darf ein Rechtshilfeersuchen ausnahmsweise vor der Bewilligung erledigt werden, wenn gegen die Gewährung der Rechtshilfe keine Bedenken bestehen. Die Bewilligungsbehörde ist nach Vornahme der Rechtshilfe zu unterrichten, vgl. Nr. 22 Abs. 2 RiVASt.3.3
Erledigung der Ersuchen
Ist für die Erledigung des Ersuchens die Staatsanwaltschaft zuständig, kann sie die Finanzbehörden beauftragen, bei der Erledigung des Ersuchens mitzuwirken.
Ist für die Erledigung des Ersuchens die Finanzbehörde zuständig (vgl. Nr. 127 RiVASt), führt sie die Ermittlungen selbst durch.
Bei Gefahr im Verzug können die Beamten der Finanzbehörde die Beschlagnahme und die Durchsuchung anordnen und durchführen (§ 67 Abs. 4 IRG).
Über ein Ersuchen auf Herausgabe von Gegenständen (Beweismittel) an die ausländische Behörde entscheidet die zuständige Staatsanwaltschaft beim Landgericht (§ 66 IRG, Nr. 76 RiVASt).
Das Ergebnis der Ermittlungen ist in einem Bericht zusammenzufassen und mit den Erledigungsstücken der zuständigen Behörde zuzuleiten.3.4
Inländische Strafverfolgungs- oder Verwaltungsmaßnahmen
Ersuchen sind auch darauf zu prüfen, ob eine inländische Strafverfolgungs- oder Verwaltungsmaßnahme in Betracht kommt (vgl. Nr. 24 RiVASt).3.5
Anwesenheit ausländischer Beamter/Richter
Ausländische Beamte/Richter dürfen im Inland keine Amtshandlungen vornehmen. Sie können bei Amtshandlungen im Inland nur mit Genehmigung der Bewilligungsbehörde anwesend sein (wenn die Genehmigung im Verhältnis zu bestimmten Staaten nicht bereits allgemein erteilt ist).
Der deutsche Ermittlungsbeamte führt die Amtshandlung(en) selbst aus, z.B. Durchsuchung, Beschlagnahme und Vernehmung. Der ausländische Beamte/Richter kann durch sachdienliche Hinweise auf den Gang der Ermittlungen Einfluss nehmen, z.B. kann er vorschlagen, in bestimmter Weise zu verfahren. Auf die Nrn. 22 Abs. 3, 138, 139 RiVASt wird hingewiesen.
Art. 13 EU-RhÜbk räumt die Möglichkeit zur Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen zum Zweck von strafrechtlichen Ermittlungen ein; dabei können ausländische Mitglieder der Ermittlungsgruppe mit der Durchführung von Ermittlungshandlungen betraut werden.3.6
Grenzen der Rechtshilfe (Ordre public)
Auch soweit eine umfassende gegenseitige Verpflichtung zur Gewährung von Rechtshilfe in Steuerstrafsachen besteht, sind die Beteiligten nach den innerstaatlichen Vorschriften sowie internationalen Vereinbarungen geschützt. Die Leistung von Rechtshilfe ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widerspricht (§ 73 IRG - „Ordre public“ -).
Dies ist z.B. der Fall, wenn die Rechtshilfe zu elementaren verfassungsrechtlichen oder völkerrechtlichen Geboten des Grundrechts- bzw. Menschenrechtsschutzes in offenbarem Widerspruch steht, z.B. die Gefahr herbeigeführt oder vergrößert wird, dass Dritte einer unangemessenen Strafverfolgung oder politischer Verfolgung ausgesetzt sind.4
Rechtsschutz
Für Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen im Rechtshilfeverkehr sind die Strafgerichte zuständig (vgl. § 33 Abs. 3 FGO).
Gegen Maßnahmen aufgrund eingehender Rechtshilfeersuchen stehen die allgemeinen Rechtsbehelfe nach der stopp zur Verfügung. Im Falle des Verlangens auf Herausgabe von Gegenständen an den ersuchenden Staat gilt § 61 IRG i.V.m. § 66 IRG.
Die StPO sieht keine Rechtsbehelfe gegen das Stellen von Rechtshilfeersuchen vor.5
Sonstiges
5.1
Auskunfts-/Unterstützungsmöglichkeiten
5.1.1
Europäisches Justizielles Netz für Strafsachen (EJN)
Das EJN dient dazu, die Herstellung sachdienlicher Kontakte zwischen den im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit zuständigen Justizbehörden zu erleichtern. Es umfasst nationale bzw. regionale Kontaktstellen, deren Hauptaufgabe darin besteht, die örtlichen Justizbehörden ihres Landes sowie die anderen Kontaktstellen mit sämtlichen Informationen zu versorgen, die für die reibungslose justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere im Rahmen von Rechtshilfeersuchen, erforderlich sind. Die Kontaktstellen kommen außerdem in regelmäßigen Sitzungen zusammen. Jedes Land benennt einen Staatsanwalt, der als Kontaktstelle für das Europäische Justizielle Netz für Strafsachen fungiert.
Über die Internetseite des EJN sind folgende Informationen abrufbar:
- vollständige Angaben über die Kontaktstellen in jedem Mitgliedstaat;
- Liste der zuständigen Justizbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten;
- rechtliche und praktische Informationen über das Gerichtswesen und die Verfahrenspraxis in den Mitgliedstaaten;
- Wortlaut der einschlägigen Rechtsinstrumente und - im Fall bereits in Kraft getretener Übereinkommen - etwaiger Erklärungen und Vorbehalte.
5.1.2
Eurojust
Eurojust ist mit dem Vertrag von Nizza in den Vertrag über die Europäische Union aufgenommen und durch Beschluss des Rates vom 28.02.2002 (2002/187/JI) errichtet worden. Deutschland hat diesen Beschluss durch das Eurojust-Gesetz (EJG) umgesetzt, das am 18.05.2004 in Kraft getreten ist.
Aufgabe von Eurojust ist es, die Koordinierung von Strafverfolgungsmaßnahmen zwischen den EU-MS zu fördern und zu verbessern, strafrechtliche Ermittlungen zu unterstützen und die Erledigung von Rechtshilfeersuchen zu erleichtern. Eurojust arbeitet eng mit dem EJN zusammen, dessen Sekretariat bei Eurojust angesiedelt ist. Auf der Grundlage von Zusammenarbeitsvereinbarungen kann Eurojust auch mit internationalen Organisationen und anderen Staaten einen Informationsaustausch pflegen.
Bei Eurojust arbeiten Staatsanwälte, Richter und Polizeibeamte, die von den EU-MS nach Maßgabe ihres nationalen Rechts nach Den Haag entsandt werden. Bei internationalem Koordinierungsbedarf kann sich ein deutscher Strafverfolgungsbeamter an sein nationales Mitglied bei Eurojust wenden und um Hilfestellung bitten. Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten ist § 4 EJG.5.1.3
Interpol
Interpol (Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation - IKPO -) ist eine Vereinigung von nationalen Polizeibehörden zur grenzüberschreitenden Verhütung und Verfolgung von Straftaten. Das nationale Zentralbüro in Deutschland ist das Bundeskriminalamt (BKA).
- Zusammenarbeit mit dem BZSt
Das BZSt nimmt Ersuchen von ausländischen Interpol-Zentralbüros über das BKA entgegen. Die Bearbeitung der Ersuchen erfolgt auf dem vorgesehenen Geschäftsweg.
- Zusammenarbeit mit den Steuerfahndungsstellen
5.2
Hinweise auf andere Merkblätter
Auf folgende Merkblätter wird hingewiesen:
- Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen vom 25.01.2006 - IV B 1 - S 1320 - 11/06 - (BStBl 2006 I S. 26);
- Merkblatt über die zwischenstaatliche Amtshilfe in Umsatzsteuersachen;
- Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung (Beitreibung) vom 19.01.2004 - IV B 4 - S 1320 - 1/04 - (BStBl 2004 I S. 66 ff.);
- Merkblatt zum internationalen Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren in Steuersachen vom 13.07.2006 - IV B 6 - S 1300 -340/06 - (BStBl 2006 I S. 461).
6
Besonderheiten zu einzelnen Vertragsstaaten
6.1
Luxemburg
Luxemburg ist Unterzeichnerstaat des EuRhÜbk, des 1. ZP-EuRhÜbk, des SDÜ, des EU-RhÜbk und des ZP-EU-RhÜbk. Bis zum In-Kraft-Treten des EU-RhÜbk und des ZP-EU-RhÜbk gilt Folgendes:
Nach der luxemburgischen Erklärung zu Art. 2 des EuRhÜbk leistet Luxemburg hinsichtlich sämtlicher Steuerarten Rechtshilfe, wenn das dem Ersuchen zugrunde liegende Delikt den qualifizierten Tatbestand des § 396 Abs. 5 der luxemburgischen Abgabenordnung erfüllen würde. Dieser erfordert
- die Hinterziehung eines „nicht unerheblichen Steuerbetrages“
- entweder in absoluter Höhe (mehr als 125.000 EUR) oder
- in relativer Höhe (mehr als 25 % der Jahressteuer) und
- eine Täuschung der Finanzbehörde durch „systematische betrügerische Handlungen“.
Hinsichtlich des unter b) bezeichneten Rechtsbegriffes orientiert sich die luxemburgische Justiz am schweizerischen Tatbestand des Abgabebetruges (vgl. Tz. 6.4). Die Auslegung der einschlägigen luxemburgischen Strafvorschriften folgt jedoch nicht den gleich strengen Maßstäben, wie sie das Schweizerische Bundesgericht aufgestellt hat. Bei der Bewilligung von Rechtshilfeersuchen unterscheidet die Luxemburger Justiz nicht zwischen falschen Bilanzen und Einnahme-Überschuss-Rechnungen. Daher kann auch bei Freiberuflern, die keine Bücher führen, bei unrichtigen Angaben über den Gewinn Rechtshilfe gewährt werden. Zur Erfüllung des Begriffs „systematische betrügerische Handlungen“ reicht die wiederholte, gleichartige Begehensweise aus.
Soweit Rechtshilfe unter diesen Voraussetzungen geleistet werden kann, behält sich Luxemburg die Anbringung eines Spezialitätsvorbehalts vor. Dieser schließt eine Verwendung der übermittelten Erkenntnisse für andere als die in dem Ersuchen aufgeführten Delikte aus.
Bezüglich der Verwendung der erteilten Auskünfte für das Besteuerungsverfahren enthält das luxemburgische Recht keine Regelung. Obwohl sich das luxemburgische Rechtshilferecht eng am schweizerischen Rechtshilferecht orientiert (vgl. Tz. 6.4), gestattet Luxemburg im Einzelfall die umfassende Verwertung der erteilten Auskünfte für das Besteuerungsverfahren.
In Bezug auf die Umsatzsteuer enthält Art. 50 SDÜ daneben eine weitere, in sich eigenständige Rechtshilfeverpflichtung. Rechtshilfe auf dieser Grundlage wird geleistet, wenn der voraussichtliche Steuerschaden 25.000 EUR übersteigt oder Besonderheiten in der Tat oder der Person des Täters die Gewährung von Rechtshilfe auch bei geringeren Beträgen gleichwohl erfordern (Art. 50 Abs. 2 SDÜ). Eine weitergehende Verwertung der übersandten Erkenntnisse für andere Straf- oder Verwaltungsverfahren ist ggf. nach vorheriger Zustimmung der luxemburgischen Justizbehörden möglich (Art. 50 Abs. 3 SDÜ).
Für Ersuchen um die Vornahme von Durchsuchungen und Beschlagnahmen gelten allein die Voraussetzungen des Art. 51 SDÜ. Die strengeren Voraussetzungen gemäß der luxemburgischen Erklärung zu Art. 5 EuRhÜbk gelten im Verhältnis zu den Schengen-Staaten auch dann nicht, wenn Rechtshilfe für den qualifizierten Tatbestand des Steuerbetruges i.S.d. § 396 Abs. 5 der luxemburgischen Abgabenordnung erbeten wird.
Rechtshilfeersuchen an Luxemburg können in deutscher Sprache gestellt werden.- die Hinterziehung eines „nicht unerheblichen Steuerbetrages“
6.2
Liechtenstein
Liechtenstein ist Unterzeichnerstaat des EuRhÜbk. Die Leistung von Rechtshilfe in fiskalischen Strafsachen ist nach liechtensteinischem Recht (IRG Liechtenstein) unzulässig und wird durch Liechtenstein abgelehnt.
Soweit hinsichtlich anderer Straftaten Rechtshilfe gewährt wird, dürfen die Gegenstände oder Akten im ersuchenden Staat weder zu Beweis- oder Erhebungszwecken wegen einer vor ihrer Übergabe begangenen Handlung, auf die sich die Rechtshilfebewilligung nicht erstreckt, noch zu Beweis- oder Erhebungszwecken wegen einer oder mehrerer für sich allein nicht der Rechtshilfe unterliegenden Handlungen verwendet werden. Bei einer Änderung der rechtlichen Würdigung der der Rechtshilfe zugrunde liegenden Handlung oder bei Anwendung anderer als der ursprünglich angenommenen strafgesetzlichen Bestimmungen darf die Verwendung der übermittelten Akten und Gegenstände nur insoweit erfolgen, als die Rechtshilfe auch unter den neuen Gesichtspunkten zulässig wäre.6.3
Österreich
Österreich ist Unterzeichnerstaat des EuRhÜbk, des 1. ZP-EuRhÜbk, des SDÜ, des EU-RhÜbk und des ZP-EU-RhÜbk. Bei der Anwendung der Übereinkommen ist der Vertrag zwischen Deutschland und Österreich über die Ergänzung des EuRhÜbk vom 31.01.1972 zu beachten.
Daneben ist der Vertrag zwischen Deutschland und Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom 04.10.1954 weiterhin anwendbar. Dieser Vertrag ermöglicht neben der Auskunftsamtshilfe auch Amtshilfe bei der Zustellung und der Vollstreckung. Die zu leistende Amtshilfe im verwaltungsbehördlichen Steuerstrafverfahren umfasst nicht Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Verhaftungen und den Vollzug von Freiheitsstrafen (Art. 14 des Vertrags). Nach Art. 4 Abs. 1 des Vertrags werden Ersuchen an das örtlich zuständige Finanzamt des ersuchten Staates gerichtet; ihre Übermittlung und Entgegennahme erfolgt in Deutschland durch die Oberfinanzdirektionen, deren Nachfolgebehörden oder durch die jeweilige oberste Landesfinanzbehörde. Deutsche Ersuchen sind nach Einholung der Bewilligung (vgl. Tz. 2.3) an die Steuer- und Zollkoordination des Bundesministeriums für Finanzen, Fachbereich Internationales Steuerrecht, Aignerstraße 10, A-5026 Salzburg zu richten. In bestimmten Fällen ist nach Einholung der Bewilligung ein unmittelbarer Verkehr zwischen den Finanzämtern zulässig (Art. 4 Abs. 2 des Vertrags).
Österreich unterscheidet zwischen verwaltungsbehördlicher Amts- und gerichtlicher Rechtshilfe in Steuerstrafsachen. Gerichtliche Rechtshilfe kommt regelmäßig ab einem Betrag von mehr als 75.000 EUR hinterzogener Steuern in Betracht. Im Rahmen der gerichtlichen Rechtshilfe sind die österreichischen Justizbehörden zuständig.6.4
Schweiz
Die Schweiz ist Unterzeichnerstaat des EuRhÜbk, des 1. ZP-EuRhÜbk und des 2. ZP-EuRhÜbk. Sie leistet unter Berufung auf Art. 2 des EuRhÜbk keine Rechtshilfe in Fiskalstrafsachen (vgl. Tz. 1.2.2).
Das schweizerische Bundesgesetz über Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) regelt - soweit internationale Vereinbarungen nichts anderes bestimmen - alle Verfahren der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Strafsachen. In der sog. Wegleitung des Bundesamtes für Justiz sind die Einzelheiten der Rechtshilfegewährung ausführlich dargestellt. Nach Art. 3 Abs. 3 IRSG kann einem Ersuchen um Rechtshilfe entsprochen werden, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Abgabebetrug ist.
„Gemäß Art. 24 der Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSV) bestimmt sich der Begriff des Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 IRSG nach Art. 14 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974. Danach liegt ein Abgabebetrug vor, wenn der Täter durch sein arglistiges Verhalten bewirkt, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird. Der damit umschriebene Tatbestand ist weiter als jener des Steuerbetrugs gemäß Art. 186 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990, der eine Täuschung der Steuerbehörden durch gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen, Lohnausweise oder andere Bescheinigungen Dritter voraussetzt. Ein Abgabebetrug kann, muss aber nicht durch Verwendung falscher oder unrichtiger Urkunden begangen werden, sondern es sind auch andere Fälle der arglistigen Täuschung denkbar. Nach der Rechtsprechung sind jedoch immer besondere Machenschaften, Kniffe oder ganze Lügengebäude erforderlich, damit eine arglistige Täuschung anzunehmen ist. Arglist ist namentlich zu bejahen, wenn der Angeschuldigte den Getäuschten von der Überprüfung der Falschangaben abhält, wenn die Angaben objektiv nicht überprüfbar sind oder falls der Angeschuldigte Anlass hat, den Verzicht auf die Überprüfung vorauszusehen...“ (Schweizerisches Bundesgericht vom 28.01.2003 - 1A.253/2002/bmt).
Die Schweiz verbindet die Rechtshilfe mit folgendem Spezialitätsvorbehalt:
„1. Die durch Rechtshilfe erhaltenen Auskünfte und Schriftstücke dürfen im ersuchenden Staat in Verfahren wegen Taten, bei denen Rechtshilfe nicht zulässig ist, weder für Ermittlungen benützt noch als Beweismittel verwendet werden. Das Verwertungsverbot bezieht sich demnach auf Taten, die nach schweizerischem Recht als politische, militärische und fiskalische Delikte qualifiziert werden. Als Fiskaldelikt gilt eine Tat, die auf die Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Maßnahmen verletzt. Zulässig ist jedoch die Verwendung der übermittelten Unterlagen und Informationen zur Verfolgung von Abgabebetrug im Sinne des schweizerischen Rechts. 2. Zulässig ist die Verwendung der in der Schweiz gewonnenen Erkenntnisse auch:
- zur Verfolgung anderer als der im Rechtshilfebegehren erwähnten Straftaten, soweit für diese ebenfalls Rechtshilfe zulässig wäre; oder
- zur Verfolgung anderer Personen, die an den im Rechtshilfebegehren erwähnten strafbaren Handlungen teilgenommen haben.
3. In keinem Falle gestattet ist die direkte oder indirekte Verwendung der erhaltenen Unterlagen und der darin enthaltenen Angaben für ein fiskalisches Straf- oder Verwaltungsverfahren. 4. Jegliche weitere Verwendung dieser Unterlagen und Informationen bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesamtes für Justiz, die vorgängig einzuholen ist.“ Nach Art. 63 Abs. 5 IRSG ist Rechtshilfe zur Entlastung eines Verfolgten zulässig. Das Einverständnis des Beschuldigten mit dem Rechtshilfegesuch ist in einem Protokoll festzuhalten und dem Rechtshilfegesuch beizulegen (Wegleitung, S. 10). Die Liste der gerichtlichen und behördlichen Schriftstücke, die unmittelbar an die betroffenen Personen übersandt werden können, entspricht der Anlage III zu Anhang II der RiVASt (Schengen-Liste). Zusätzlich gilt im Verkehr mit der Schweiz:
„R) Sonstige Mitteilungen:
Alle sonstigen Mitteilungen und Urkunden bei allen Verfahren, in denen nach dem Ergänzungsabkommen zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen Rechtshilfe geleistet würde, insbesondere Aufforderungen zur Zahlung von Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgeldern oder Gerichtskosten.“
Für Betrugsdelikte, die ab dem 01.01.2004 begangen worden sind, kann nach dem neu gefassten Art. 27 des DBA Deutschland/Schweiz auch Amtshilfe in Anspruch genommen werden. Zum Amtshilfeverfahren auf schweizerischer Seite vgl. Nr. 2 des Verhandlungsprotokolls vom 07.12.2001.6.5
Kanada
Im Verhältnis zu Kanada ist der Rechtshilfevertrag vom 13.02.2002 anwendbar.
Art. 4 regelt die Herausgabe von Gegenständen. Der Begriff „Gegenstände“ ist weit zu verstehen; er bezieht sich z.B. auch auf „virtuelle“ elektronische Gegenstände bzw. elektronische Kopien von Dokumenten.
Gemäß Art. 6 bemüht sich der ersuchte Staat auch festzustellen, ob sich Erträge aus einer Straftat in seinem Hoheitsgebiet befinden. Ggf. ergreift der ersuchte Staat die nach seinem Recht zulässigen Maßnahmen, um diese Erträge sicherzustellen, zu beschlagnahmen oder einzuziehen.
Art. 7 regelt die Anwesenheit von Verfahrensbeteiligten (z.B. Richtern, Beamten). Das Recht auf Teilnahme schließt das Recht ein, Fragen und andere Ermittlungsmaßnahmen vorzuschlagen. Den bei der Erledigung des Ersuchens anwesenden Personen ist es gestattet, ein Wortprotokoll des Verfahrens aufzunehmen. Der Einsatz technischer Mittel zur Aufnahme eines solchen Wortprotokolls ist gestattet. Bildaufnahmen sind nur mit Einwilligung des Betroffenen gestattet.
Rechtshilfeersuchen können nach Art. 11 Abs. 1 auch von Behörden gestellt werden, die für Verfahren in strafrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind, oder für diese gestellt werden.6.6
USA
Zwischen Deutschland und den USA ist am 14.10.2003 ein Vertrag über die Rechtshilfe in Strafsachen unterzeichnet worden. Die Verhandlungen hierzu waren bereits im Frühjahr 2003 - und damit vor Unterzeichnung des Abkommens vom 25.06.2003 zwischen der Europäischen Union und den USA über Rechtshilfe - abgeschlossen. Um Verpflichtungen aus dem EU-USA-Abkommen Rechnung zu tragen, hat Deutschland mit den USA am 18.04.2006 einen Zusatzvertrag zu dem noch nicht in Kraft getretenen Rechtshilfevertrag vom 14.10.2003 unterzeichnet. Damit stehen künftig jeweils zwei völkerrechtliche Instrumente (EU-USA-Abkommen und der bilaterale Vertrag mit Änderung durch den Zusatzvertrag) zur Verfügung. Da der Regelungsinhalt des EU-USA-Abkommens in das bilaterale Vertragsverhältnis übernommen wurde, dürften in der Praxis keine Anwendungsprobleme auftreten. Sämtliche Verträge sind noch nicht in Kraft getreten.7.
Hinweise auf Fundstellen
- EuRhÜbk: BGBl. 1964 II S. 1369; Sammlung der Europaratsverträge - SEV-Nr. 030, Internetseite des Europarates (mit deutschem Portal): www.conventions.coe.int
- Deutsche Erklärung zu Art. 24 EuRhÜbk, BGBl. 1976 II S. 1799
- 1. ZP-EuRhÜbk: BGBl. 1990 II S. 124; BGBl. 1991 II S. 909; SEV-Nr. 099, www.conventions.coe.int
- 2. ZP-EuRhÜbk: SEV-Nr. 182, www.conventions.coe.int
- SDÜ: ABl. L 239 22.09.2000 S. 19; BGBl. 1993 II S. 1013; www.europa.eu/european-union/ (Schengen-Staaten: www.zoll.de)
- EU-RhÜbk: BGBl. 2005 II S. 650; ABl. EG C 197 S. 1, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:C2000/197/01&from=DE
- ZP-EU-RhÜbk: BGBl. 2005 II S. 661; ABl. EG C 326 S. 2, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:42001A1121(01)&qid=1593073404398&from=DE
- Bilaterale Abkommen auf dem Gebiet der Amts- und Rechtshilfe: BMF-Schreiben vom 11.01.2006 - IV B 5 - S 1301 - 1/06 - BStBl 2006 I S. 85; www.bundesfinanzministerium.de
- EGAHiG vom 19.12.1985 (BGBl. I S. 2436, 2441), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 22.09.2005 (BGBl. I S. 2809), http://www.gesetze-im-internet.de/
- Richtlinie 77/799/EWG vom 19.12.1977 (ABl. EG Nr. L 336 S. 15) - EG-Amtshilfe-Richtlinie - zuletzt geändert durch die Richtlinien 2003/93/EG vom 07.10.2003 (ABl. EU Nr. L 264 S. 23), 2004/56/EG vom 21.04.2004 (ABl. EU Nr. L 127 S. 70) und 2004/106/EG vom 16.11.2004 (ABl. EU Nr. L 359 S. 30); www.europa.eu/european-union/
- Verordnung (EG) Nr. 1798/2003, ABl. EU 2003 Nr. L 264 S. 1; www.europa.eu/european-union/
- IRG: BGBl. 1994 I S. 1537, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.07.2005 , BGBl. 2005 I S. 2189; http://www.gesetze-im-internet.de/
- RiVASt: Bundesanzeiger (BAnz) Nr. 176 vom 18.09.1984 i.V.m. der Beilage 47/84 und BAnz Nr. 40 a vom 27.02.1993, www.datenbanken.justiz.nrw.de
- RiVASt Anhang II (Länderteil): https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/RiVaSt/Anhaenge/RiVaSt_Textfassung_2016.html
- Zuständigkeitsvereinbarung 2004: BAnz vom 29.05.2004, S. 11.494
- EJN: ABl. EG vom 07.07.1998 Nr. L 191 S. 4, http://www.ejn-crimjust.europa.eu
- Eurojust: www.eurojust.europa.eu; E‑Mail: info@eurojust.eu.int. Deutsches nationales Mitglied ist zurzeit Hermann von Langsdorff, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof; sein Stellvertreter ist Oberstaatsanwalt Jürgen Kapplinghaus, E-Mail: jkapplinghaus@eurojust.eu.int.
- Interpol: www.bka.de unter„Profil", www.interpol.int
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